Ich tummel mich gerne in Rollenspiel-Foren herum.
Vieles lese ich mit, nur selten komme ich zum Schreiben eines Artikels. Das ist heute anders.
Was ist passiert?
Ich las die xte DSA-ist-am-Ende-Diskussion mit teilweise harscher Kritik an der aktuellen Redaktion und dem Verlag Ulisses. Vieles wirkte auf mich wie eine früher-war-alles-besser-Kontroverse, doch es gab auch Punkte, die ich gerne kommentieren würde. Dieser Beitrag ist Teil der Foren-Diskussion, hat für mich aber auch einen genrellen Anspruch.
Zur Person
Kurz ein Wort zu mir, damit nicht der Eindruck entsteht, ich wäre unvoreingenommen. Das bin ich nicht. Ich spiele seit 1985 Das Schwarze Auge. Es nimmt einen großen Teil meines Lebens ein und es ein Hobby zu nennen, ist wohl etwas untertrieben. Es ist eine Leidenschaft und lässt mir somit wenig Raum für Objektivität. Aber ich bin auch Autor von DSA-Romanen und arbeite seit 2010 für FanPro bzw. Ulisses. Ich bin also befangen.
Trotzdem würde ich gerne einen Blick auf die aktuelle neue/alte Diskussion werfen.
Argument 1: Ulisses ist ein seelenloser, kapitalistischer Konzern
In erster Linie ist Ulisses ein Verlag und ein Produzent von Spielen. Wie jede Firma hat Ulisses das Ziel, Gewinn zu machen oder zumindest kostendeckend zu arbeiten. Wer sich mal die Umsatzzahlen von Rollenspielverlagen genauer anschaut wird schnell erkennen, dass jeder mit etwas Gefühl für Betriebswirtschaft, schnell die Finger davon lassen würde. Rollenspiele sind ein Nischenprodukt, weit entfernt von einem Massenphänomen. Der Gedanke mit der DSA-Lizenz reich zu werden ist aberwitzig. Die gesamte Spielebranche (und darunter sind Giganten wie z.B. Haspro) haben nur ein Bruchteil des Umsatzes von z.B. der Tierfutterindustrie. Es wäre wohl wirtschaftlicher (und stressfreier) für Markus Plötz gewesen, wenn er in Waldems eine Autowerkstatt eröffnet hätte.
Wer sie die Zahlen der aktuellen Veröffentlichungen anschaut wird erkennen, dass es unter Ulisses zu keinem nennenswerten Mehrausstoß von Produkten gekommen ist. Das viel zitierte Argument der Quantität vor Qualität greift also auch nicht. Was raubt Ulisses dann die Seele?
Die Seele einer Firma wird von den handelnden Personen bestimmt. Noch immer ist die Trauer um vergangenen Autoren und Redakteure wie Thomas Römer, Mark Wachholz oder Uli Lindner nicht verhallt. Zu diesen Personen und ihrem Weggang von Ulisses kann ich nichts inhaltlich beitragen. Das wären reine Spekulationen meinerseits. So schauen wir doch lieber auf die aktuellen Verantwortlichen. Mario Truant ist seit Jahrzehnten in der Rollenspielszene aktiv. Er hat Rollenspiele wie z.B. „Kult“ nach Deutschland gebracht, seinen eigenen Verlag gegründet und ist seit 2010 Verlagsleiter bei Ulisses. Eine Heuschrecke die nur mal den schnellen Dollar machen möchte? Wohl kaum. Eevie Demirtel kommt, genauso wie Alex Spohr, aus der direkten DSA-Community. Alex ist mir als fleißiger Forenschreiber bekannt, während Eevie zuvor bei Nandurion war. Sind das die Bürokraten des seelenlosen Konzerns, die die Gewinne zählen und sich in ihrem Glastürmen über die Steigerung der Umsätze um XY-Prozentpunkte freuen? Nein, es sind Spieler, die mit Herzblut bei der Sache sind und ihr liebstes Hobby zum Beruf gemacht haben. Dann haben wir da noch Daniel Simon Richter. Auch er ein Unverbesserlicher, der seit 1995 für Das Schwarze Auge schreibt und immer noch nicht reich und berühmt ist. Hinzukommt Andrè Wiesler, Chefredakteur von Uthuria. Er ist seit Jahren in der Rollenspielszene verhaftet und hat mit dem Magazin „Envoyer“ und dem Rollenspiel „Lodland“ nicht nachgewiesen, dass es ihm allein um den wirtschaftlichen Erfolg geht.
Was ich zum Ausdruck bringen will ist, dass all die handelnden Personen für mich nicht in den Verdacht stehen, nur an dem Geld des Kunden interessiert zu sein. Sie wollen kreativ arbeiten und damit obendrein genug Geld verdienen, um den Kühlschrank zu füllen. Sie sind mit Herzblut bei der Sache und sicherlich die falschen Personen, wenn es darum geht, allein den Umsatz zu erhöhen. Dafür wären wohl eher Marketing-Strategen, Analysten und BWLer geeignet. Diesen Typus kann ich bei Ulisses leider nicht finden.
Um ganz sicher zu gehen, dass Ulisses kein Großkapitalist ist, dessen Ziel es ist, möglichst viel Kapital aus der DSA-Lizenz zu ziehen, sollten wir den Verlag vorsichtshalber noch mit anderen Firmen und Marken vergleichen.
Nehmen wir mal die Marke „Shadowrun“. In meinem Regal sammeln sich vergleichbar viele Produkte dieses Systems, wie DSA-Bücher. Ich habe 4 Grundregelwerke, manche Quellenbücher dreimal in unterschiedlichen Editions. Ist das nun Geldmacherei, wie sie immer Ulisses unterstellt wird? Wo bleibt der Aufschrei aus der SR-Community? Meiner Meinung nach ist es ein gewachsenes Spiel, das seit 1989 einfach verschiedene Trends und Weiterentwicklungen durchgemacht hat. Das finde ich legitim. Ich gebe Pegasus gerne mein hartverdientes Geld für ihre Bücher.
Wer Videospiele spielt, kennt sicherlich die Reihen FIFA von Electronic Arts und PES von Konami. Jedes Jahr kommt ein neues Grundspiel heraus. Kein Patch, kein Update, sondern ein Vollpreistitel. Dass die Verbesserungen zum Vorjahr nur marginal sind, interessiert nur wenige, wenn man den Absatzzahlen Glauben schenken mag.
Ähnlich verhält es sich bei Produzenten günstiger Elektrogeräte. Da werden Platinen extra so zusammengelötet, dass einzelne Bausteine nach rund zwei Jahren (nach Ablauf jeglicher Garantien) den Geist aufgeben, damit der Kunde schnell ein weiteres Produkt kauft.
Diese Liste ließe sich noch ewig fortsetzen (herrje, ich habe noch gar nicht die Tabak-, Pharma- oder Waffenindustrie erwähnt). Passt Ulisses in diese Aufzählung? Ich denke nicht.
Ich kann für meinen speziellen Bereich festhalten, dass ich fair bezahlt werde und nicht das Gefühl habe ausgebeutet zu werden, um die Gewinne Ulisses in exorbitante Höhen zu treiben.
Also ist Ulisses gar ein ganz normaler Verlag?
Argument 2: Die neue Redaktion ist unfähig und sitzt in einem Elfenbeinturm
Schauen wir uns doch mal die Produkte an, welche unter der neuen Redaktion entstanden sind. Aktuell haben „An fremden Gestaden“ und „Elementare Gewalten“ viel Kritik einstecken müssen. Hakt es also an der Qualität?
Wenn ich mir Abenteuer wie „Bahamuths Ruf“, „Rabenblut“ oder diverse Anthologie-Beiträge anschaue würde ich sagen: nein. Es gibt stärkere und schwächere Produkte – keine Frage. Aber einen Trend zu inhaltslosen, langweiligen Abenteuern sehe ich nicht. Auch in der Vor-Ulisses-Zeit gab es Abenteuer, die großartig waren („Jenseits des Lichts“) und welche, die eher in die Kategorie Zumutung fallen würden („Jahr des Feuers“). Generell erlebe ich eher den Trend zu qualitativ hochwertigeren Produkten. Wenn ich mir den Aufbau, das Layout und die gesamte Präsentation anschaue („Familienbande“), ist da in den letzten 15 Jahren viel passiert. Die Bücher wirken auf mich durchdacht und mehrfach überarbeitet.
Ähnliches stelle ich bei den Romanen fest. Mit Schrecken denke ich an die ersten Veröffentlichungen, die nur wenig (bis gar keinen) Bezug zu Aventurien hatten. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Versuch das mal, wenn Dein Lektor Florian Don-Schauen heißt. Aber beim Thema Romane bin ich nun wirklich zu sehr befangen, wechseln wir lieber schnell das Thema.
Aktuell entbrannte die Diskussion an dem Hilfegesuch der Uthuria-Redaktion an die Community. Auch da muss ich sagen: Super! Wenn das mal kein Beweis dafür ist, dass der Elfenbeinturm alles andere als undurchlässig ist. Solch eine Anfrage hätten nur wenige Verlage oder Firmen gestartet. Das die gesuchte Lösung in einer relativ naheliegenden Spielhilfe („Efferds Wogen“) versteckt war, fand ich dann eher niedlich. Aber man ist bereit sich zu öffnen und geht das Risiko ein dabei auf die Nase zu kriegen. Mehr davon!
Ähnlich sehe ich übrigens die auf Conventions veranstalteten Abenteuer zur Gelebten Geschichte. Dort, wo Spieler ganz konkret in die fortlaufende Geschichtsschreibung eingreifen können und somit die Zukunft gestalten. Das finde ich klasse!
Ich bin in den letzten Jahren vermehrt auf Conventions gegangen und habe zahlreiche Workshops besucht. Was ich da vorfand war ein schönes Beispiel für Transparenz. Alle Redakteure und Autoren stellten sich unzähligen Fragen und gaben tiefe Einblicke in ihre Bücher oder den Verlagsplan. Wer einmal eine Produktpräsentation von Apple (die noch nicht einmal auf Messen gehen!) gesehen hat, weiß, was ich meine. Die Redaktion ist auf solchen Veranstaltungen immer ansprechbar, sehr diskussionsfreudig und sie haben gerne mal Stift und Zettel zur Hand, wenn es um neue Anregungen geht. Ich habe es noch nie als leichter Empfunden in Kontakt mit den Verantwortlichen zu treten, als heute. Ob das die feedback-Email ist, das Redaktionsstübchen im Ulisses-Forum oder eben der persönliche Kontakt. Das war vor 5, 15 oder 20 Jahren ganz anders. Man merkt den handelnden Personen an, dass sie auch weiterhin Liebhaber der Marke DSA sind und wissen, wie man sich als Fan fühlt. Wünschen würde ich mir, dass die in zahlreichen Foren formulierte Kritik häufiger bei all den Workshops und Präsentationen geäußert werden. Im Internet herumzutrollen ist ja recht leicht, aber auch sehr einseitig. Schöner wäre es allemal, dies im direkten Gespräch klären zu können. Aber das nur am Rande.
Argument 3: Ulisses setzt mehr auf Lizenzen und Werbung, anstatt auf Inhalte
Dieses Argument macht sich gerne mal an dem Aventurischen Boten fest. Auch ich gehörte einst zu denen, die geheult haben, als der Bote einen Farbteil(!) erhalten hatte. Da lag der Schritt weg vom Fanzine-Charakter und hin zum durchgestylten Magazin auf der Hand. Skeptisch kaufte ich mir die nächsten Ausgaben und beäugte sie kritisch. Und siehe da: Das Niveau war gut. Es war zwar auch immer etwas Schrott dabei, aber ich las den Boten nicht weniger gerne. Aktuell gibt es den Trend zu mehr Ingame-Inhalten. Mehrmals las ich den Aufruf an die Community Artikel einzureichen, was mich sehr freut. Ulisses hat erkannt, dass es diesen Wunsch gibt und steuert den Boten entsprechend um. Finde ich gut.
Dann schauen wir uns doch mal die Lizenzen an. Bei den Lizenznehmern finden sich Firmen wie der Uhrwerk-Verlag („Myranor“ und „Tharun“) oder Daedalic Entertainment („Satinavs Ketten“). Produkte wie „Herokon online“, „Drakensang“ oder jetzt „Schicksalspfade“ nutzen die DSA-Lizenz. Alles in allem muss ich sagen, dass in den unterschiedlichen Firmen sehr hochwertige Produkte hergestellt werden. „Schicksalspfade“ ist kein Vergleich zu dem früheren „Armalion“ (sondern viel besser!). „Drakensang“ hat, ähnlich wie „Satinavs Ketten“, Bestnoten erhalten. Und der Uhrwerk-Verlag wirkt auf mich deutlich seriöser als die RTL-Gruppe, die mal im Gespräch für eine Schwarze-Auge-TV-Serie waren. Auch hier sehe ich nicht, dass Ulisses auf das schnelle Geld aus ist. Stattdessen werden qualitativ hochwertige Partner gesucht und auch gefunden.
Argument 4: Der Metaplot
Der Metaplot ist ein schwieriges Thema. Generell handelt es sich dabei für mich, um einen mehrere Produkte umspannenden Handlungsstrang. Davon hat Das Schwarze Auge viele. Da verhält es sich ähnlich, wie bei den Abenteuern und Regionalspielhilfen. Es gibt gute und schlechte Metaplotideen. Viele finde ich spannend und freue mich über den nächsten Botenartikel zu Thema XY, manche interessieren mich nicht und ich lasse sie links liegen. Generell sehe ich keinen signifikanten Unterschied im Umgang mit dem Metaplot, wenn ich die alte oder die neue Redaktion betrachte. Mir fallen sowohl positive, als auch negative Beispiele auf beiden Seiten ein.
Was bleibt?
Wie man sicherlich bei meinen Argumenten und Herleitungen raus gelesen hat, sehe ich positiv auf den momentanen Zustand und die Zukunft von Das Schwarze Auge. Ich sagte ja bereits Eingangs: ich bin befangen.
Ich finde es weiter wichtig, kritisch auf die einzelnen Beiträge zu schauen. Ganz in dem Wissen, dass nicht jedes Abenteuer oder jeder Quellenband gut ist. Und wenn schlechte Produkte erscheinen, sollte man den Finger in die Wunde legen. Nur so kann das Niveau gehalten bzw. gesteigert werden.
Natürlich habe auch ich hin und wieder Kritik an einzelnen Produkten oder Entwicklungen. Diese versuche ich aber, wenn nötig und möglich, direkt an den Adressaten loszuwerden.
Mir ist daran gelegen, dass DSA noch viele Jahre weiter existiert. Denn jedes neue Buch, das ich in den Händen halte, ist eine kleine Freude für mich (aber ich bin auch leicht zu begeistern).
Nach dem oben beschriebenen, scheint mir Ulisses der richtige Verlag zu sein. Ich habe Vertrauen in die handelnden Personen und fühle mich dort besser aufgehoben als bei Schmidt Spiele, Haspro oder Microsoft (um mal ein paar abwegige Ideen zu nennen). Darüber hinaus kann ich nur jedem raten sich für das Schwarze Auge zu engagieren. Ob dies nun im Schreiben von Abenteuern, Boten-Artikeln oder Romanen liegt. Gute Beispiele hierfür sind für mich auch die Projekte Wiki Aventurica und DereGlobus. Hier würde ich mir, gerade im Hinblick auf die Uthuria-Diskussion, eine engere Zusammenarbeit wünschen.
In diesem Sinne
Mike
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