Rebellion entsteht aus Hoffnung

Veröffentlicht: Juli 2, 2017 in Uncategorized

Regelmäßige Leser und Leserinnen meines Blogs kennen das schon:

Bordsteinkante

Immer wenn die politischen Verhältnisse mal wieder den Eskapismus der Phantastik gemeinerweise beiseite schieben, setze ich mich auf meine virtuelle Bordsteinkante und vage einen schnoddrigen Blick auf die Themen, die mich bewegen.

Heute sitze ich in Hamburg oder besser gesagt, mitten in der Gefahrenzone St. Pauli, und merke, dass es in den nächsten Tagen ungemütlich in der Hansestadt werden wird. Aber fangen wir vorne an, nimm doch Platz, und lass uns über G20 reden.

Was ist das überhaupt?

In der kommenden Woche treffen sich die Regierungschefs der 19 potentesten Industrienationen. Dazu kommt die EU als eigenständiges Konstrukt. Das Treffen befasst sich mit dem Wachstum der Weltwirtschaft, dem internationalen Handel und der Regulierung der Finanzmärkte, (sagt Wikipedia). Die G20 schreibt in ihrer Selbstdarstellung, dass sie für die internationale Zusammenarbeit in Finanz- und Wirtschaftsfragen stehen. Punkt. Aus. Vorbei. Das ist die Funktion der G20.

Alles andere, die Thematisierung von Klima oder Gleichstellung von Frauen und Männern, ist lediglich Make-up und dient als Feigenblatt für die Gesellschaft. Oder möchte sich jemand ernsthaft vorstellen, wie Donald Trump oder der saudiarabische Vertreter König(!) Salman ibn Abd al-Aziz über Frauenrechte diskutieren?

Es treffen sich also 19 Staaten, flankiert von der Weltbank, dem Internationalen Währungsfond und ähnlich illustren Vereinigungen, um zu besprechen, wie sie ihren Wohlstand verteidigen  und maximieren können. Das dies nur auf Kosten der Länder funktionieren kann, die diesen Wohlstand nicht erreicht haben, ist leicht nachvollziehbar. Niemand hat – ganz der kapitalistischen Logik folgend – Lust auf neue Konkurrenz. Oder wie die Commerzbank einmal bewarb: »Oben ist nur Platz für wenige«.

Der Wohlstand der G20 fußt bereits jetzt auf der Ausbeutung anderer Nationen und hat eine bis in die Zeit der Kolonisierung zurückreichende Tradition. So besitzen die acht reichsten Milliardäre mehr Vermögen, als die 3,6 Milliarden der ärmsten Menschen. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die durch die Politik der sich in Hamburg treffenden Politiker befördert wird. Die G20 stehen für Deregulierung und Destabilisierung und haben nur wenig scheu davor ihre Interessen mittels Krieg durchzusetzen oder am Krieg mitzuverdienen.

Legitimation, anyone?

Ganz ehrlich: Ich fühle mich von diesen Leuten nicht repräsentiert.

Und wie sollte ich auch? Bei den G20 geht es mitnichten um eine parlamentarisch legitimierte Vereinigung. Niemand hat sie dazu ermächtigt Entscheidungen zu treffen. Keiner hat ihnen ein Mandat gegeben für sich oder für die gesamte Welt zu sprechen. Es handelt sich um ein rechtsfreies, informelles Treffen, dass für 2 Übernachtungen mit Frühstück (und Bankett) wahrscheinlich 400 Millionen Euro kosten wird. Was im übrigen fast doppelt so viel Geld ist, als die letzte Geberkonferenz für den Hunger der Welt zusammenbekommen hat. Das ist mal ne Relation!

Warum Hamburg?

Das versteht wohl keiner. Seit dem Tod von Carlo Giuliani, der während des G8-Gipfels in Genua  von der Polizei erschossen wurde, verzichteten die Mächtigen darauf, sich in größeren urbanen Gebieten zu treffen. Warum man mit Hamburg nicht nur eine Millionenstadt wählte, sondern mit dem Messegelände auf St. Pauli einen Veranstaltungsort gewählt hat, der in unmittelbarer Nähe zum alternativen Viertel der Metropole liegt, ist mir völlig unverständlich. Es wirkt fast so, als wolle man einen gigantischer Testlauf für zukünftige Aufruhrbekämpfungsmaßnahmen durchführen, wenn bis zu 20.000 PolizistInnen und 48 Wasserwerfer gegen die eigene, kritische Bevölkerung gerichtet werden. Allein bei dem Gedanken an die Fläche, die zu einem grundrechtsbefreiten Raum umfunktioniert wird, in denen Demonstrationen den (wirtschaftlichen) Interessen der führenden Industriestaaten weichen müssen, wird mir übel. Hier wird ganz greif- und sichtbar Politik gegen und nicht für einen Großteil der Weltbevölkerung gemacht.

Von meiner Bordsteinkante aus ist das nicht nachvollziehbar und macht mich wütend.

Wer trifft sich denn?

Ach, darüber möchte ich eigentlich gar nicht so viele Worte verlieren. Die Namen sind austauschbar, beim nächsten Gipfel kommen andere Männer (und wenige Frauen), die über das Wohl und Weh der Welt entscheiden wollen. Es zählt das System, nicht das Gesicht.

Aber na gut, werfen wir einen kurzen Blick auf die Stars:

Donald Trump, bekannt für seinen Sexismus und Chauvinismus, der immer noch vor hat eine Mauer zu Mexiko zu bauen, da Mexikaner vergewaltigen und Drogen verkaufen würden. Auch Recep Tayyip Erdoğan, der nicht nur massenhaft Journalisten und Andersdenkende inhaftiert hat und Berufsverbote aussprach, sondern einen grausamen Krieg gegen die Kurden führt, ist mit von der Partie. Die Testosteronspitze wird aber wahrscheinlich erst mit dem ehemaligen Geheimagenten Wladimir Putin erreicht, aber wie gesagt, diese Leute sind austauschbar und sollten uns nicht zu sehr interessieren. Auch, wenn es schon ein recht ordentliches Gruselkabinett ist.

Niemand hat das Recht zu gehorchen

Tja, langsam muss ich von meiner Bordsteinkante aufstehen. Ich darf hier nicht bleiben, da die Stadt in der kommenden Woche den Mächtigen vorbehalten bleibt. Aber keine Sorge, ich bin weder bordsteinkanntenlos, noch frei von Zielen.

Mich wird es auf die Straße ziehen. Sie ist nicht weit weg von meiner Kante und ich hoffe, Dich dort zu treffen. Gemeinsam mit Tausenden von Freundinnen und Freunden können wir zeigen, dass weder Hamburg, noch die Welt, den G20 gehört. Das wir ihren Neoliberalismus, ihre Finanzpolitik, ihre Verwertungslogik und ihren Militarismus ablehnen und für die Lebendigkeit und Vielfalt streiten. Egal ob es dann heißt »1000 Gestalten«, »Lesen gegen G20«, »Welcome to hell« oder »Grenzenlose Solidarität statt G20«.

Es wird darum gehen ein lautes, kraftvolles Zeichen für die Abschaffung der G20 zu setzen. Aber auch und gerade für eine Welt, die weitgehend frei von Ausbeutung und Unterdrückung ist. Lasst uns wieder an die Utopie glauben und für eine gute, eine gerechtere Welt kämpfen. Nie hätte ich gedacht, dass in diesem Land alle Menschen heiraten dürfen, unabhängig von ihrem Geschlecht. Und doch ist es geschehen, weil Menschen sich das Recht dazu jahrelang erstritten haben und nicht verzagten, diese Ungerechtigkeit in der deutschen Gesetzgebung anzuprangern und zu verändern. Nicht ganz frei von Kitsch und Pathos musste ich in diesen Tagen oft an das alte Zitat  von Che Guevara denken: »Seien wir realistisch, fordern wir das Unmögliche«.

Eines sollten wir alle im Herzen behalten: Eine andere Welt ist möglich. Ich weiß das, denn ich bin Phantast und habe schon zahlreiche Welten erschaffen, kommen und gehen sehen. In diesem Sinne:

Hoffnung entsteht aus Rebellion

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